8. Beruf und Familie

Lothar Rein nahm die Treppe mit Schwung.
Wenn sie Krieg will, dann kämpfen wir. Hat doch gesagt: Es ist Krieg. Er war etwas fülliger geworden, Sport nicht seine Sache. Er keuchte. Aber er war doch noch jung genug.
Guten Morgen, hörte er einen jungen Mann neben sich sagen. Er grüßte zurück. Sah den langen Flur des Gebäudes entlang. Da hinten war sein Büro, ein großes Büro mit 2 Vorräumen. In der Zeitung hatte er gelesen, dass Frauen nach wie vor älter werden als Männer und dass sie in einem orientalischen Land eine Frau gesteinigt hatten. Sie graben die Frau bis über die Taille in den Boden, fesseln die Hände auf dem Rücken. Dann werfen die Männer Steine. Wie wohl so ein Frauenkopf aussieht, nachher? Er verscheuchte die Gedanken an den Frauenkopf, an sie, an das Zuhause, an den Stellungskrieg. Hier war er doch Feldherr, der die Schlachten längst geschlagen hat, meistens siegreich. Er grüßte gut gelaunt zurück.
Diese Phantasie von der gesteinigten Frau ist auch Ausdruck eines Wunsches. Lothar will seine Frau steinigen. So denkt er davor auch an den Krieg zwischen seiner Frau und ihm. Würde man ihn befragen, so würde er wahrscheinlich sagen, nein, eine Phantasie von einer Steinigung habe er nicht gehabt. Nicht weil er lügen wollte, sondern weil er die Phantasie sogleich wieder verdrängt hatte.
Die Sekretärin nahm ihm Tasche und Mantel ab. Er setzte sich.  Eine Tasse Kaffee wurde ihm gebracht. Sein Assistent stand auf der Schwelle. Der Tagesplan. Zwei lange Konferenzen heute. Das erste eine Routinebesprechung mit den Mitarbeitern seiner Abteilung, von den Gruppenleitern aufwärts, personelle Besetzung, Zuständigkeiten, Fortgang der neuen Projekte. Dann eine Besprechung mit einer Lieferfirma zur Abgleichung von Terminen und Zuständigkeiten, auch Routine, auch nicht besonders wichtig. Aber er konnte nicht fehlen. Er musste die Details wissen. Die Unterschriftenmappen werden voll sein. Das Telefon läutete immer neu. Die Stimme der Sekretärin mal freundlich, mal weniger freundlich. Es war Hektik. Akten lagen dort, waren zu lesen. Gesprächstermine mit Mitarbeiter gab es auch. Zwischendurch wählte er den Speiseplan für das Mittagessen und die Sekretärin gab es weiter: Suppe, Lasagne, Bayerische Creme. 
Meistens hatte sie früher zum Abendessen eine Kerze auf dem Tisch. Er erzählte von seiner Arbeit. Damals war er ja noch im unteren Management. Schlanker war er damals auch, hatte  mehr Haare auf dem Kopf. Sie hörte zu.
Schmeckt es dir? Er erinnerte sich an diese Frage.

Natürlich, es schmeckt sehr gut, hatte er geantwortet.
Warum natürlich? hatte sie oft gefragt. Am Anfang lachend, später bissig. Er dachte darüber nach.
Wenn er wollte, konnte er ein bis zwei Mal die Woche mit ihr schlafen. Damals. Er musste nur auf ihre Seite des Bettes rücken und sie umarmen. Entweder sagte sie:
Heute nicht, oder sie sagte es nicht. Dann streichelte er sie, zog sie aus oder streifte ihr Nachthemd hoch. 
Er las in seiner Unterschriftenmappe. Eine umständliche Wirtschaftlichkeitsberechnung für ein Zulieferungsproblem der pharmazeutischen Abteilung. Soll man die Verpackung für einen Teil der Tabletten weiter in der Firma machen lassen oder in Auftrag geben? Eine langweilige Materie, die für ihn Routine war. Schlechte Expertise dachte er. Unerfahrener Mitarbeiter.
Lass das! hatte sie eines Tages gesagt. Geh auf deine Seite, ich brauche Platz zum Schlafen. Die nächsten Nächte auch. Irgendwann gab er auf.  Die Kinder waren schon geboren. Sie stand oft nachts auf, als Cornelia noch klein war. Sie hat einen schlaffen Bauch bekommen. Und obwohl sie kaum gestillt hatte, waren die Brüste groß und hingen. Er sah sie kaum noch nackt. Sie wollte es nicht.
Er sollte sich den Mitarbeiter kommen lassen. Er kannte ihn noch kaum. Wenn die Verpackung in Auftrag gegeben wird, was ist mit der Auslastung der eigenen Maschinen? Wie modern sind die überhaupt? Abschreibungstermine fehlen. Dilettantisch.
Frau Weiß, der Rewe soll mal zu mir kommen.
Wenn ich jetzt nicht kann, schieben Sie es irgendwo zwischen! Er könnte ihn warten lassen, eine Stunde oder ihn anfauchen, leise, höflich und scharf wie eine Rasierklinge. Rewe würde rot werden, dann weiß, dann schwitzen. Das war immer so. Wenn er nicht irgendwann Schluss machte, würde er schließlich zittern. Ob er eine Frau hat, Familie? Er muss es lernen. Wenn er es lernt, kann er hier noch Karriere machen. Er ist nett. Er soll die Chance haben.
Bestellen Sie ihn  für 18 Uhr.
Ja, nach Dienstschluss.
Der Besuch von, wie heißt er noch? bringt nichts, muss aber sein. Wie war noch mal der Name?
Claesen.
So ähnlich hieß doch der Chef  damals, Klasen oder so ähnlich.  Kalkweiß ist er geworden.
Ich muss nach Hause, hatte er gesagt, war aber nur ein Stammeln, ging ohne ein weiteres Wort aus dem Raum. Die Sekretärin war auch aschfahl. Wie Gesichter so aussehen können? Was da mit der Haut passiert? Wenn man tot ist, sieht es bestimmt auch so aus.
Sein Sohn, tot gefunden. Heroin, hatte sie geflüstert.
Schrecklich, habe ich gesagt. War es ja auch. Für mich ein Glücksfall. Der ist dann bald selbst zusammen gebrochen. Die Frau war sogar in der Klinik, glaube ich. Klar, wenn der Sohn sich einen Schuss gibt. So ist das Leben. Hätte sonst mindestens zwei Jahre länger warten müssen, um seine Position zu bekommen. Schade, dass es so ist: sein Pech, mein Glück.
Sie hat ihn für Barbara verantwortlich gemacht. Barbara ist krank und er ist schuld, sein ”pathologischer” Charakter. Das war ihre Kriegserklärung. Gut, dann ist eben Krieg. Seine Frau sein Feind, die Tochter missraten. Und er sollte verrückt sein? Woher wollte sie das wissen? Er war doch erfolgreich im Beruf. Seine Eltern, zugegeben, waren komisch. Das hatte er auch immer gefunden.
Guten Morgen, meine Herren!
Damen, sind keine hier, bis auf Frau Weiß. Die ist keine Dame, die ist Mutti. Schade. Wäre amüsanter als diese Karrieristen. Der Meier hat wohl wieder gesoffen. Schläft bestimmt gleich ein. Was dem seine Frau sagt? Mein Gott, Mutter sein reicht doch nicht. Traut sich nicht mal fremd zu gehen. Noch ein paar Jahre und sie ist zu. Er schaute auf Frau Weiß und ihren großen Busen. Sein Herz tat ihm weh.
Es war eine lange Sitzung, in der minutiös die Tagungsordnungspunkte aufgerufen, diskutiert und abgehakt wurden. Die Feinabstimmung des Geschäftsverteilungsplanes. Herr Ritter sollte in Zukunft nicht nur die Planung der Marketingstrategie vorbereiten, sondern sich auch aktiv darum kümmern, welche Produkte im Werk hergestellt werden können. Aus diese Weise wurde der produktive Sektor gestärkt und die Verkaufsstrategen gezwungen, ihre Pläne an den Produkten auszurichten und nicht umgekehrt. Er war konzentriert und gestattete sich keine Abschweifungen. Geraucht wurde nicht, weil er es nicht mochte. Von 10 Uhr bis 12 dauerte die Sitzung. Selbst zum Klo ging keiner. Kann man doch auch mal 2 Stunden aufschieben. Erst zum Schluss gestattete er sich einige Freiheiten.
Dieser Kotzbühl dahinten, nee, Kotzebue. Ob die Frau immer noch auf’n Strich geht? Gefährlich wird der mir nicht mehr.
Ein Anruf des Justitiars wegen Mietverträge, Netzwerkfragen mit dem EDV Experten, tägliche Produktionslisten, immer wieder der Assistent.
Wie viele Mails der heute Vormittag gelesen hat? Macht es aber gut. Produktionsprobleme, Zulieferung, Personal, Kostenfaktor, Lagerung, Maschinenbruch, Telefon mit Kollegen, Zinsentwicklung, Telefonat mit Breuer.
Endlich Mittagessen. Heute allein. Hat man seine Ruhe. Er ist doch wer. Die Suppe. Nach Einkommen und Tätigkeit und Einfluss gehört er zu den Leuten, die zählen. Warum will sie es nicht verstehen? Lasagne. Gleich noch einmal eine Konferenz. Haben hier einen guten Koch. Da kann man auch einfach nur zuhören, die anderen arbeiten. Das bisschen Hausarbeit, mit Putzhilfe, Wäsche geht raus, Gartenarbeit macht die Firma, Fensterputzer kommt auch. Bayerische Creme. Kaffee.
Sie sieht immer noch so gut aus. Im Abendkleid macht sie eine tolle Figur, ist dann auch charmant zu ihm. So eine Gala, ist ja mal ganz schön, aber passt nicht ins Leben. Ist was für die, die nichts mit sich anzufangen wissen, die Reichen und die Berühmten. War wirklich High Society, merkte man an den Fotos in der Yellow Press, eine Woche später. Sie wusste es natürlich vorher. Frauen wissen so was immer. Es gab auch ein Bild von ihm mit seiner Frau.
War aber ganz amüsant gewesen, der Abend. Aber zu dieser Sorte Mensch gehört er nicht, will er auch gar nicht. Könnte öfter auf solche Veranstaltungen gehen. Komische Menschen, diese Promis. Die haben keine missratene Tochter, die brauchen sich keine Sorgen zu machen. Vielleicht haben sie doch eine, haben es nur noch nicht gemerkt. Die sind nur sie selbst. Vater, was der wohl denkt? Die Mutter wird die Bilder in einer Illustrierten entdecken, er mit Frau.
Diese Promis sind nur sie selbst. Er ist mehr, hat sie und die missratene Tochter. Er empfand eine gewisse Genugtuung über die „missratene Tochter“. Die sind nur da, damit sie eben da sind, verbrennen im Feuer der Öffentlichkeit. Wenn der Sonnenkönig die Königin fickte, guckte der Hofstaat zu. 
Lothar Rein hat mit seiner Frau geschlafen, weil er scharf auf sie war. Er zankte mit ihr, verachtete sie und sehnte sich nach ihrer Liebe, weil er nicht anders konnte, weil er dadurch lebte. Diese Gefühle entstanden in ihm, weil es die Natur so wollte, weil die Situation so war, und weil seine Lebensgeschichte ihn so geprägt hatte, dass er auf bestimmte Situationen mit bestimmten Gefühlen reagierte. Das Leben in der Familie war bestimmt von Gefühlen, und die wurden von ihm, seiner Frau und den Kindern gfemacht.
In seinem Arbeitsleben wurde nicht nach seinen Gefühlen gefragt. Hier orientierte er sich an Sachfragen, und alle Beziehungsprobleme hatten sich an den Sachfragen zu orientieren. Die Arbeitswelt repräsentierte die Wirklichkeit. Das gab ihm Sicherheit.
Barbara, die hatte nur Gefühle, die sie nicht in Handlungen umsetzen konnte, die sinnvoll auf die Wirklichkeit bezogen gewesen wären. Sie konnte nur innerhalb der Familie handeln, was nur neue heftige Gefühle produzierte. Ihre einzige Möglichkeit, die Gefühle los zu werden, war, sie in Symptome zu verwandeln. Man kann darum auch sagen, dass ihre Symptome der Versuch waren, eine eigene Wirklichkeit ohne Bezug auf die außerfamiliäre Realität zu schaffen.
Da hinten der Breuer mit Zigarre.
Hallo!
Er geht ja schon. Mit Breuer war er einige Male auf Dienstreise, in Spanien. Hat sich dort wohl gefühlt. Sie hatte nie was dagegen. Was sie sich wohl gedacht hat, zwei Monate in Spanien, allein als Chef einer Tochterfirma? Sie hätte ihn auch besuchen können, die Firma hätte es bezahlt. Besuch, um zu bumsen. Vielleicht war es ihr auch egal, wie er das machte.
Spanisch konnte er nicht. Engagierte darum als erstes einen Dolmetscher, der ihn ständig begleitete, selbst beim Mittagessen und abends. Der Öffentlichkeit teilte er mit, das Werk sei nicht rentabel. Von Entlassung keine Rede. Aber 300 Leute von fast 800 waren zu viel. Journalisten bekamen Zahlen über die wirtschaftliche Situation, er machte alles mies. „Markt total zusammengebrochen“ hatte er verlautbaren lassen. Der Markt war schuld, nicht die Firma. Wichtige Politiker besuchte er persönlich. Dann rief er die Abteilungsleiter zusammen. Qualifizierte Mitarbeiter würde er befördern, sich persönlich für sie einsetzen. Eine Bedingung: Von 8 Leuten mussten sie 3 abgeben. Am Ende hatte er die 300 Mitarbeiter, die nicht mehr gebraucht wurden. Fast die Hälfte ging von selbst. Er brauchte nur wenig mehr als 100 Leuten zu kündigen, verteilt übers Jahr. Das fiel kaum auf, wegen der normalen Fluktuation. Selbst die Gewerkschaft war zufrieden, dass das Werk erhalten blieb. Er war der Held, tolles Husarenstück. Als er zurück kam, wurde er Vorstand. Breuer hatte da unten auch ne Freundin. 
Was die überhaupt will? Nie war ihr was genug. Na ja, so sind Frauen eben, aber nicht alle so launisch und zickig. Er hatte es auch nicht leicht gehabt, Eltern ohne akademischen Abschluss auf diese Schule und der Vater. Ihm wurde weinerlich, schluckte, stand auf, ging zurück ins Büro.
Einerseits hatte die Beziehung von Lothar zu seiner Frau oder Töchtern nichts mit seiner Arbeit zu tun. Andererseits aber hätte Lothar seine Arbeit nicht so machen können, wenn er nicht der gewesen wäre, der er war, und wie er war, darauf hatte die Familiensituation erheblichen Einfluss. Dass er sich in seinen Phantasien immer wieder mit der Familie beschäftigt, zeigt es ja.
Morgen Abend Gäste. Kollegen, Freunde zum Abendessen. Das kann sie gut, auch kochen und sieht sehr festlich aus. Ist ja auch ein schönes Haus. Barbara wird keine Geschichten machen, ist in der Klinik. Man wird ihn bewundern, er wird es bescheiden zurück weisen. Könnte mit den Frauen flirten und tut es ihr zuliebe nicht. Das sollte sie ihm danken. Aber nein, Krieg. Gut, also Krieg!
Er grüßte ein Dutzend Mal auf dem Weg. Man ist ja gern freundlich, aber echt meinen die das nicht. Wer weiß, wer da an meinem Stuhl sägt, dachte er. Es verdarb ihm nicht die Laune. Noch war er leistungsfähig, noch erfolgreich. Wenn sie das auch nur anerkennen würde, dass er seine Sache gut meinte und machte. Er gab ihr das Geld, die Früchte seiner Arbeit wirklich gerne. Er wollte ihr Mann sein. Was wollte sie mehr? Was wollen die Frauen von den Männern? Gefühlsduseligkeit.
Die zweite Konferenz war schwieriger. Den Einfluss sichern, hat langfristig große Wirkung auf die Profite. Das machte ihm Spaß, weil er hier intelligente, neue Lösungen finden, sich bei den Kollegen und Geschäftspartnern durchsetzen musste. Die Auswahl der Lobbyvertreter war wichtig, wenn die Richtung festgelegt und die Sache in Gang gebracht war. Hier zeigte sich, dass er gut war, es ist wichtig, gut zu sein, und  alle müssen wissen, dass er gut ist. Nur sie! Nur sie! Verdammt noch mal, das Leben könnte anders sein, wenn sie das auch anerkennen würde. Was zählt denn bei ihr? Wenn sie keinen Orgasmus gekriegt hat, er hat es doch lange durchgehalten, ihr zuliebe das trainiert.
Immer wieder drängt sich ihm der Vergleich seiner Arbeitswelt mit der Beziehung zu seiner Frau auf. In der Firma gilt er als fähig, aber seine Frau hält nicht viel von ihm – wie er es sieht. 
Der Kauf der Raffinerie würde sich lohnen, weil die eine Technologie haben, die Schule machen wird, fehlt ihnen nur das Marketing, das bringen wir. Es lohnt sich, wenn man die Details kennt und versteht. Er versteht von vielen Dingen was, muss man nicht jedem unter die Nase binden. Mein Gott, sind seine Kollegen manchmal dumm!
Ein Anruf von?
Ja, stellen Sie durch!
Hallo Jürgen, was kann ich für dich tun?
Deine Partei interessiert mich nicht, aber wenn du es von mir willst, will ich es versuchen.
Das bedeutet für uns einen Verlust von mehreren Millionen. Die Produktion muss ausgelagert werden. Das müssen wir in Ruhe besprechen. Ich kann aber vielleicht etwas für dich tun, wenn meine Vorstandskollegen mitmachen.
Ich will es versuchen.
Ruf mich in drei Tagen wieder an. Dann machen wir einen Termin. Heute habe ich noch keine Übersicht über den ganzen Sachverhalt.
Nach der Konferenz  ging er, hatte noch eine andere Sache vor. Es drängte ihn.
Er parkte den Wagen vor dem Haus, in einer Wohngegend, nicht ärmlich, schellte bei D., war gut gelaunt, als er sie begrüßte. Sie war nicht mehr ganz jung, vielleicht auch ein bisschen verlebt, aber schön, klein, mit feinem regelmäßigem Gesicht, dunkler Typ mit guten Proportionen. Mein Gott wie aufregend. Konnte man anfassen, einfach so, wenn es los ging, den Schwanz irgendwohin stecken. Sie macht, was ich will! Braucht man nicht mal zu erklären, warum und wieso und dass es geil ist. Die Beine sind nicht lang genug, aber die hohen Absätze, machen ihre Beine noch aufregender.
Setz dich! Einen Kognak? Ach nee, du musst ja fahren. Also Kaffee?
Sie streifte den Morgenmantel ab und er sah auf ihren fast nackten Hintern. Als sie den Kaffee brachte, legte er die  flache Hand auf ihre Pobacke, ließ sie zwischen ihre Beine gleiten. Willst das wohl lassen!
Er zog seine Hand zurück, aber wurde noch geiler.
Ich habe was gelesen über die Globalisierung, sie kramte auf ihrem Tisch unter Zeitschriften. Was meinst du dazu? Du machst doch was mit dem großen Geld. Unsere Firmen gehen ins Ausland und hier hat keiner mehr Arbeit. Ist das wirklich so?
Na ja, so schlimm ist es nicht. Aber unsere Arbeiter sind zu teuer. Du willst doch auch, dass die Sachen billig sind. Das geht aber nur, wenn die Löhne nicht zu sehr steigen. In China z. B. sind die Löhne niedriger und darum die Waren billiger, wenn wir sie dort fertigen lassen und dann hierher bringen.
Aber wenn ich nichts verdiene, kann ich nichts kaufen und ihr bleibt auf euren Waren sitzen und die Chinesen wollen auch mehr Lohn haben, mit der Zeit wird es da auch so teuer.
Lothar lachte, bewunderte ihre Klugheit, aber er wollte nicht über die Globalisierung reden.
Mach dich mal ein bisschen freier, meinte sie. Hart oder weich?
Schnell in sie hinein und die Entspannung oder streng und Lust? Er war schon auf halber Höhe. Jetzt ein Abbruch, nein. Sie soll es in die Hand nehmen. Er zog sich aus, stand in Unterhosen da, schon mit einem Steifen. 
Das Geld! sie lächelte.
Ach so, ja. Er ging an seine Jackentasche, holte das Geld heraus.
Stell dich da in die Ecke und rühr dich nicht. Kein Mucks. Sie war streng und hart. Er folgte. Sie ging hinaus, kam in einem schwarzen Bikinikostüm, das die Brustwarzen und die Scham frei ließ,  zurück,  in der Hand eine Peitsche.
Sie schlug ihn leicht. Willst du dich wohl ausziehen, dalli, dalli! Jagte ihn von einer Zimmerecke in die andere. Küss meinen Hintern! Nein, Sklave. Zärtlicher! Ich bin doch keine Hure. Zärtlicher habe ich gesagt. Hier hast du deine Strafe.
Leg dich hin, auf den Bauch, dass ich dich auspeitschen kann. So, und jetzt leck mich! Knie dich hin!
Er tat, wie sie es befahl. Die Streiche waren nicht wirklich schmerzhaft, gerade so, dass die Lust größer wurde, vielleicht auch, dass sie auszuhalten war. Er war ein willenloses Werkzeug.
Zeig mal deinen Knüppel her! Wehe, wenn da was passiert! Immer wieder schlug sie ihn sanft mit der Peitsche über den Körper. Er stöhnte unter der Last seiner Lust.
Sie trieb ihn an, spürte, ob er noch konnte, ob die Spitze seiner Erregung erreicht war, wie der Schmerz und die Lust eine Verbindung miteinander eingingen, beruhigte ihn, um dann die Lust auf ein höheres Niveau zu bringen. Sie war ebenso konzentriert bei der Sache wie er sich gehen ließ.
Hol im Bad das Handtuch. Er tat es.
Leg dich darauf! Er legte sich auf den Boden, auf das ausgebreitete Handtuch. Sie stand mit gespreizten Beinen über ihm, die Scham konnte er sehen. Er stöhnte, wollte schreien.
Willst du wohl ruhig sein! Sie schlug ihn und er konnte es aushalten, flog nicht auseinander. Wehe, du rührst dich! Dann urinierte sie etwas auf ihn.
Später drang er durch die Öffnung des Slip in sie ein, nachdem sie ihm ein Kondom übergestreift hatte, und brachte seine Sache zu Ende.
Lothar Rein brauchte einige Zeit, um seine Balance wieder zu finden. Sie würde geduldig warten, bis seine Kräfte wieder kehrten.
Beim ersten Mal hatte ihn die Scham fast überwältigt.
Hat es dir gefallen? hatte sie ihn trocken gefragt. Die Frage verschaffte ihm etwas Distanz.
Ja, schon, meinte er, noch sehr unruhig.
Jetzt kannst du wieder deine Arbeit machen, kannst dich konzentrieren, brauchst keinen Frauen hinterher zu schauen oder zu rennen. Du weist, dass du wiederkommen kannst, wenn du willst. Du kannst es so haben wie eben oder anders. Du brauchst deiner Frau nicht böse sein. Die will nicht mehr mit die schlafen, ja?
Er schwieg.
Davon lebe ich, und nach einer Pause:
Du bist ja immer noch ganz unruhig. Du musst dich fragen: Habe ich jemandem geschadet? Nein, hast du nicht. Aber du hattest Spaß.
Sie wurde nachdenklich:
Man kann nicht immer Spaß haben, ohne anderen zu schaden.
In der Lebensgeschichte von Lothar Rein gibt es keine Zwangsläufigkeit, die seinen sexuellen Masochismus erklärt. Aber dieser Masochismus erfüllte eine Reihe von Zwecken. Für Lothar bedeutete Abhängigkeit Demütigung. Demütigung konnte er entschärfen, indem er sie mit der sexuellen Lust verknüpfte. Zugleich konnte er seine Hemmungen überwinden und sich ganz seiner sexuellen Lust hingeben, weil diese Frau ihm vorschrieb, was er zu tun hatte. Aus eigener Verantwortung konnte er ja kaum etwas tun. Und wenn sie ihn schlug, büßte er für seine Lust. So konnte er damit auch seine Schuldgefühle in den Dienst der Lust stellen.
Dass er seine Sexualität aber mit einer Prostituierten praktizierte, bedeutet, dass sie nicht in sein Leben integrieren konnte. Dafür lagen die Gründe bei Lothar, aber auch bei der Gesellschaft, in der er lebte. Lothar war ein Mann mit Familie, ein Mann mit einer Arbeit und ein Mann mit bestimmten Vorlieben, wie z.B. seine Sexualität. Diese drei Bereiche hat er nicht miteinander verbinden können.
Er fuhr nach Hause, wurde gereizt, ohne es zu merken. Woher die Angriffe kommen, man weiß es nie vorher. Frauen sind raffinierter, Männer tapfer und blöd. Aber er konnte was aushalten. 


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