2. Die Geburt des Selbst
Wir haben im vorigen Kapitel Barbara und ihre Symptome kennen gelernt und auch etwas über die Beziehung zu ihrer Mutter erfahren. Um das alles besser zu verstehen, müssen wir uns mit der Kindheit von Barbara vertraut machen.
Barbaras Mutter, Ursula Rein, wurde sehr bald nach der Hochzeit schwanger. Sie freute sich. Sie hatte geheiratet, weil sie Familie und Kinder wollte. Auch ihr Mann freute sich.
In der ersten Zeit der Schwangerschaft war Ursula Rein morgens häufig übel.
Das ist normal, sagte ihr Arzt. Aber es trübte ihre Vorfreude auf das Kind. Sie hatte auch Angst, das Kind könne missgebildet sein. Ihr Arzt versuchte, sie zu beruhigen:
Wir können eine Fruchtwasseruntersuchung machen. Das Risiko für das Kind ist zwar nicht gleich Null, aber sehr gering, meinte er schließlich. Das Ergebnis der Untersuchung war in Ordnung.
Ich habe alles getan, was ich tun konnte, sagte Ursula Rein zu ihrem Mann. Ursula Rein war es gewöhnt, sich freundlich und gut gelaunt zu geben. Darum bemerkte niemand ihre Ängste, außer wenn sie zu ihrem Arzt oder Mann davon sprach.
Die Ängste von Ursula Rein sind, was die Intensität betrifft, ungewöhnlich. Die Bemerkung „Ich habe alles getan…“ verrät den Grund. Sie hat Schuldgefühle. Und warum? Die Antwort ist, dass sie Aggressionen gegen das Kind hat. Ihre Angst, das Kind könne missgebildet sein, entspringt einem Wunsch, das Kind zu attackieren. Vermutlich kommt diese aggressive Regung daher, dass Ursula Rein fürchtet, dass das Kind in ihrem Bauch sie attackiere. Sie bemerkt die Veränderung ihres Körpers, wird von der Übelkeit geplagt und ahnt, wie sehr das Kind ihr Leben verändern wird. All das erlebt sie wie einen Angriff, worauf sie ihrerseits mit Aggression reagiert. Ihre Aggressionen machen ihr Schuldgefühle, und da das alles völlig unbewusst abläuft, bemerkt sie nur die Angst.
Das alles ist unabhängig davon, dass sie ihr Kind auch sehr liebt und sich darauf freut.
Doch im zweiten Drittel der Schwangerschaft fühlte sie sich so wohl wie selten in ihrem Leben. Sie hatte zwar wenig von ihrem Mann, der, noch am Anfang seiner beruflichen Karriere, viel arbeitete. Aber sie kam mit dem Alleinsein gut zurecht. Sie fühlte mit Zufriedenheit, dass ein neuer Mensch in ihr heranwuchs. Dieses gute Gefühl verließ sie bis zur Geburt des Kindes nicht, obwohl ihr in den letzten Monaten der dicke Bauch und ihre Unbeweglichkeit zu schaffen machten. Zu der Zeit setzte sie ihr Studium aus, das sie auch später nicht wieder aufnahm.
Die Ängste und was damit zusammenhängt, sind vorerst ganz in den Hintergrund getreten.
Ihr Mann schlief während der Schwangerschaft kaum, zuletzt gar nicht mehr mit ihr. Ursula Rein vermisste die Sexualität nicht, aber es störte sie, dass sie weniger attraktiv für ihren Mann war, wie sie meinte. In Wahrheit verband ihr Mann mit seiner Sexualität eine gewisse Aggressivität und hatte darum Hemmungen, mit seiner schwangeren Frau zu schlafen.
Dass das Kind ihr Leben unumkehrbar verändern würde, ahnte sie, ja wollte sie auch. Doch hatte sie kaum Vorstellungen davon, wie das sein würde. Ihre Freundinnen hatten noch keine Kinder, mit ihrer Mutter sprach sie wenig.
Einige Male kam auch ihr Mann mit Babysachen von der Arbeit, die er in der Mittagspause gekauft hatte, eine Babypuppe, da es doch ein Mädchen werden würde, eine Truhe mit Kindermotiven bemalt und Söckchen für das Kind. Ursula Rein fand das nett, bedeutete aber ihrem Mann, dass das ihre Sache sei.
Ihr Mann wollte auch ein bisschen Mutter sein, aber sie verstand das als Angriff auf ihre Mütterlichkeit. Er seinerseits spürte nicht, wie sehr sie die Ermutigung brauchte, dass sie eine gute Mutter sein würde. – So nahm das Verhängnis seinen Lauf.
Sie hatte mit ihrem Mann nicht darüber gesprochen, dass er bei der Geburt anwesend sein sollte. Lothar Rein hielt das Gebären ohnehin für eine Frauensache, bei der Männer nichts zu suchen hätten. Frau Rein hätte es vielleicht lieber anders gehabt, aber das wurde zwischen den beiden nicht besprochen.
Wie so vieles nicht.
Die Wehen setzten an einem Nachmittag in der Woche ein. Die Hebamme riet zum Gang in die Klinik. Lothar Rein war, nachdem ihn seine Frau benachrichtigt hatte, sofort in die Klinik gefahren und er wartete teils geduldig, teils nervös in einem unwirtlichen Flur, wohin ihn die Frau von der Anmeldung geschickt hatte. Weiß gekleidete Menschen gingen geschäftig an ihm vorbei, grüßten flüchtig oder gar nicht. Frauen wurden in Betten durch die Tür geschoben, gingen auch dickbäuchig, von Krankenschwestern gestützt, durch diese Tür, auf der Kreißsaal stand. Er hatte keine Ahnung, wie lange eine Geburt dauern konnte. Er fühlte sich unbehaglich. Es wurde Abend. Niemand kümmerte sich um ihn. Er fühlte sich überflüssig. Schließlich kam ein Mann in Weiß, dessen Funktion unbekannt blieb:
Herr Rein?
Ja antwortete er erleichtert. Ist es da?
Nein, noch nicht. Das wird auch so bald nichts. In dieser Nacht bestimmt nicht. Die Wehen sind schon ziemlich stark und häufig, aber beim ersten Mal dauert es oft länger. Sie können nach Hause gehen. Wir rufen Sie an, wenn es soweit ist. Wir haben doch ihre Nummer?
Ursula Rein hielt die schmerzhaften Wehen aus, ohne viel zu klagen. Sie sehnte sich danach, dass ihr jemand die Hand halten und Mut zusprechen würde. Sie telefonierte mit ihrem Mann, aber sein Angebot, wieder in die Klinik zu kommen, lehnte sie ab. (Später nahm sie es ihm übel, dass er sie in ihrer ”schweren Stunde” allein gelassen hatte.)
Die Kommunikation zwischen beiden ist erschwert, weil nicht genug Vertrauen in den anderen da ist. Sie denkt: Er will nicht wirklich; man hört es an der Art, wie er fragt. Sie möchte sich ihm auch nicht gern mit den Schmerzen und diesem körperlichen Ereignis der Geburt präsentieren. Das aber traut sie sich nicht zu sagen. Er denkt: Sie will ja vielleicht nicht, dass ich komme und er hat auch Angst davor, die Geburt miterleben zu müssen, was er ihr nicht gestehen will.
Am nächsten Morgen war Ursula Rein von den Schmerzen entnervt. Sie hatte keine Kraft mehr. Obwohl in guter Lage, war das Kind nicht gekommen. Der Chef der Klinik meinte, ein Kaiserschnitt sei unumgänglich, und Ursula Rein willigte ein.
Eine Stunde später war Barbara geboren, der Vater benachrichtigt und mit einem riesigen Strauß Blumen in die Klinik geeilt. Jetzt waren sie erstmals zusammen, Ursula Rein, ihr Mann Lothar und das Kind. Sie sprachen kaum ein Wort miteinander. Sie blickten auf ihr Kind, das ruhig schlief.
Es sollte Barbara heißen, es war der Klang des Namens, der der Mutter gefiel. Niemand in der Familie hieß so.
Man könnte das so deuten, dass sie das Kind mit keinem teilen wollte – aber vielleicht ist das eine Überinterpretation.
Ursula Rein musste fast zwei Wochen in der Klinik bleiben. Depressive Anwandlungen nach der Geburt, wie so manche junge Mutter, hatte Ursula Rein nur andeutungsweise. Mit dem Stillen klappte es einigermaßen. Nach zwei Tagen brachte man mit dem Kind auch das Fläschchen. Der Arzt hielt es für notwendig zuzufüttern. Ursula Rein wurde nicht gefragt, mit ihrem Mann konnte sie sich nicht besprechen. Ihre Mutter meinte: ”Das beste ist natürlich Muttermilch, keine Frage. Aber ich glaube, dass du nicht genug hast. Ich weiß nicht, wie du mit deiner Figur ein Kind ernähren willst. Also gib ihr nachher oder vielleicht vorher das Fläschchen.
Als sie die Klinik verließ, war das Stillen schon kein Thema mehr. Im Laufe der nächsten Wochen stellte sie es allmählich ganz ein. An Barbara bemerkte sie zunächst keine Reaktion. Als dann einige Wochen später Barbara die Milch oft in hohem Bogen wieder ausspuckte, konsultierte sie ihren Arzt.
Die meisten Kinder spucken, sagte er, das hat in Ihrem Fall nichts mit dem Fläschchen zu tun. Füttern Sie das Kind mit kleineren und häufigeren Mahlzeiten. Und wenn die Kleine spuckt, versuchen Sie es einfach noch einmal.
Dass Ursula sich so leicht rein reden ließ, zeigt, wie unsicher sie war. Und das Spucken von Barbara war zu intensiv, um noch als normal gelten zu können. Es war wohl schon Ausdruck dafür, dass etwas in der Beziehung zwischen ihr und der Mutter nicht stimmte.
Die junge Mutter war den ganzen Tag mit ihrem Kind, dem Haushalt und der Versorgung ihres Mannes beschäftigt. Von ihrem Mann erwartete und bekam sie keine Hilfe. Der kam meist spät nach Hause und arbeitete auch zu Hause und am Wochenende und konzentrierte sich auf seine Karriere. Wenn sie jemanden brauchte, bat sie ihre Mutter, aber das war selten; denn ihr war nichts zu viel. Unzählige Male stand sie nachts auf, wenn das Kind schrie, nie verärgert, nie zögernd. Nie kam sie auf den Gedanken, ihren Mann darum zu bitten.
Die Mutter kann sich nicht eingestehen, wie schwer ihr die Pflege manchmal fällt. Sie kann sich von ihrem Kind nicht gut abgrenzen. Abgrenzung erfordert (konstruktive) Aggression. Ursula Rein tut alles, um ihre Aggression gegen das Kind zu widerlegen.
Sie hält das Kind emotional vom Vater fern; denn eine Beziehung zum Vater würde mehr Distanz zwischen ihr und dem Kind schaffen.
Abends erzählte sie ihm von Barbara:
Heute war ich das erste Mal mit dem Kinderwagen ganz lange draußen. Die Sonne schien, und ich glaube, das hat Barbara gefallen. Sie war ganz ruhig und hat mit ihren Äuglein neugierig geguckt. Dann hat sie im Wagen geschlafen.
Heute hat die Kleine den ganzen Morgen geweint. Ich weiß nicht, warum. Sie ist nicht krank. Ich habe Fieber gemessen. Für Zähne ist es auch noch zu früh, hat der Kinderarzt gesagt.
Vielleicht sollte ich jetzt mehr passiertes Gemüse füttern. Die Beunruhigung der Mutter über die Verfassung des Kindes hörte Lothar Rein nicht heraus.
Es war eine glückliche Zeit, meinte Ursula Rein später. Das Kind und seine Bedürfnisse bestimmten den Rhythmus des Tages. Sie legte ihr Kind zur Ruhe, nahm es auf, fütterte es, trug es durch die Räume, schäkerte mit ihm, wickelte es, tröstete es. Sie gab Barbara, was sie brauchte.
Aber wusste sie, was das Kind brauchte? Konnte sie sich dabei auf ihr Gefühl verlassen? Bekam der Säugling Barbara die Sicherheit, dass die Bedürfnisse seines noch so verletzbaren Lebens befriedigt wurden, obwohl er sie doch selbst noch nicht kannte, geschweige denn artikulieren konnte?
Wie üblich, so nach dem 3. Monat, wurde Barbara lebhafter, lachte schon mit einem Glucksen. Oft nahm ihre Mutter sie hoch und spielte mit ihr: heben und fallen lassen, kraulen und sanft schütteln. Die kleine Barbara reagierte mit erkennbarer Lust. Ursula Rein war eine Mutter mit ungewöhnlichem Engagement für ihr Kind. Sie war glücklich und das Kind war es auch.
Aber was die Mutter für ihr Kind tat, tat sie doch nicht ganz nach den Bedürfnissen des Kindes. Sie befriedigte das Kind, bevor es ein Bedürfnis hatte.
Sie wartete nicht auf das Wollen des Kindes.
Es war, als fürchtete sie eben dieses Wollen.
So war der Säugling eigentlich nie frustriert. Bevor Barbara gemerkt hatte, was sie wollte, wusste es die Mutter und Barbara war schon befriedigt.
Die Mutter sagte: Ach, was ist meine Kleine hungrig!
Nein, Barbara war eben noch nicht hungrig, sie wollte hungrig werden. Aber sie hatte gar keine Chance, hungrig zu werden. Es war das Bedürfnis der Mutter, ein sattes Kind zu sehen. Es war der Wunsch der Mutter ein lachendes Kind zu sehen; denn weinen war eine Anklage. Barbara konnte die Mutter nicht verführen, sie zu füttern oder zu wiegen oder zu hätscheln, wenn sie es wollte; denn sie wurde gefüttert, gewiegt, gehätschelt, bevor sie es wollte. Sie konnte die Mutter nicht besiegen, nicht durch den Charme ihres ersten Lachens, nicht durch ihr unwiderstehliches Wimmern und später auch nicht durch Trotz. Für all das gab es keine Chance.
So stand das glückliche Kind auf unmerkliche Weise im Dienst der Mutter. Ursula Rein hatte einen glücklichen Säugling, der doch keine eigenen Lebensrechte einlösen konnte.
Wir sehnen uns nach einer so vollkommenen Kindheit, wie sie Ursula Rein ihrem Kind bereiten wollte. Sie wird nie verstehen, warum eine so glückliche Zeit in so viel Abnormität münden konnte.
Und Barbara? Aus dem Nebel der ersten Wahrnehmungen konturierten sich allmählich Gestalten. Die längst bekannte Stimme der Mutter verband sich mit einem Gesicht und mit einer Ordnung der Dinge. Es gab Sattheit und Ruhe, es gab Farben, Laute und Bewegungen. Die Haut wurde von den lustvollen Bewegungen geschmeichelt. Licht und Farben liefen an ihr vorbei. Der Herzschlag der Mutter, ihre Wärme, die lockende Stimme – es war ein ständiges Fest der Sinne. Manchmal wollte sich tief im Zentrum des Inneren ein schmerzendes Gefühl melden, Hunger würde es später heißen. Aber bevor sie dieses Nagen wirklich spüren konnte, gab es Entspannung, die Befriedigung. Nur wenn der Körper sich entleerte, war sie ganz mit sich allein. All diese Eindrücke wechselten in einer Folge, die sich sehr bald als eine Ordnung zu erkennen gab. Sie waren alle mit dem gleichen Geruch eines Menschen, der gleichen Stimme und dem gleichen Gesicht verbunden. Es war ein Gott, der dem Kind diese nie endende Reihe aufregender und lustvoller Ereignisse bescherte.
Es gab auch Schmerzen, die alles im Inneren in Unordnung brachten. Da half nur Schreien. Aber diese Einbrüche in die Alltäglichkeit des wunderbaren Lebens waren selten. Sie hatten auch keine Verbindung mit der Zufriedenheit, die das Normale war. Es waren böse Dinge, die aus dem Erleben schnell verdrängt wurden. Es waren gefährliche Momente; denn das Schreien verwandelte die Mutter. Die Mutter war verzweifelt, flehte ihr Kind an, nicht zu schreien. Dann war die Mutter auch keine gute Mutter mehr; sie war nun böse, ein böser Gott, der ihr Schmerzen zufügte. Manchmal waren es keine Schmerzen, kein Hunger, dann war das Schreien eine heimliche Lust, um die gute Mutter zu vernichten. Aber dann kam die andere, die böse Mutter, die das Kind mit Kummer und Schmerzen bedrängte und bedrohte.
So muss man vermuten, sieht es der Säugling.
So geschah die Welt für Barbara. Das eine reihte sich, von ihrem Gott erzeugt, an das andere, der Einbruch des Bösen war selten. Fast immer war Lust und es gab keine Störung der Dinge, ehe die Knospe eines Gedankens auftauchte, war er realisiert: Schlaf oder Spiel, Nahrung oder Zärtlichkeit. So viel Glück macht wehrlos.
War es ein Zufall, war es Instinkt? Die kleine Barbara fand heraus, dass die Ordnung der Dinge auch umkehrbar war. Diese Ordnung, die sie lernte, war geprägt davon, dass die Welt in sie hineinfand: das Licht, die Berührungen, die Fütterung. Es gab einen Rhythmus, die Augen zu öffnen, die bloße Haut mit der Welt in Berührung zu bringen und sich die Nahrung einzuverleiben. Aber es gab auch ein ”heraus”. Auch das war lustvoll, obwohl ihre Ordnung der Welt das nicht vorsah. Ihr Gott wollte das nicht. Aber sich auf diese Art zu spüren, war verführerisch. Sie war sie selbst, sie war wie ihr Gott. Barbara spuckte.
Die Mutter war beunruhigt. Das Kind vertrug nicht die von der Mutter zubereitete Nahrung. War sie überhaupt eine gute Mutter? Barbara trank mit der Milch, die ihr die Mutter gab, auch die Angst der Mutter. Die Milch ließ ihren Körper wachsen. Und eines Tages machte sich die Angst in ihrem Inneren heimisch. Sie fesselte ihre Seele. So verschwand auch das Spucken.
War Ursula Rein eine schlechte Mutter? Nein. Es gab eigentlich nur ein Problem. Ursula Rein konnte es nicht ertragen, als Mutter unvollkommen zu sein. Wenn sie einen Fehler hatte, dann den, dass sie nicht bereit war zu akzeptieren, dass sie – wie jede Mutter – manches falsch machte. Wenn sie das hätte akzeptieren können, dass sie auch manchmal oder in gewisser Hinsicht eine „böse“, d. h. unzureichende Mutter war, dann hätte sie auf die Bedürfnisse des Kindes besser gehört, hätte sie ihrem Mann mehr Einfluss eingeräumt. Aber dass es nun nicht so war, liegt nicht allein an Ursula Rein. Ihr Mann konnte ihr nicht ausreichend Sicherheit geben, ihre Eltern waren keine wirkliche Unterstützung, und sie orientierte sich an einem unrealistischen Mutterbild, das ihr die Gesellschaft anbot.
In der Zeit um den 8. Monat, als Barbara anfing zu fremdeln, als sie zaghaft versuchte, der Mutter offenen Widerstand entgegenzusetzen, wurde der Zwang für einen Augenblick offenbar. Die Mutter nahm einen kleinen Löffel mit dem Brei, hielt ihn der Kleinen vor den Mund. Barbara presste die Lippen aufeinander. Das hatte sie noch nie gemacht. Die Mutter schob den Löffel langsam zwischen die Lippen, unaufhaltsam. Sie ließ überhaupt keine Wartezeit zu. Es war kein Einverständnis zwischen beiden, dass ein Machtkampf entstanden war, dass Barbara etwas wollte, was die Mutter nicht wollte. Es war nicht so, dass die Mutter den Sieg davon tragen würde oder dass Barbara triumphierte. Es gab nachher keine Schuld und keine Schuldgefühle. Ursula Rein überwand nicht den Widerstand ihres Kindes, sie machte ihn ungeschehen. Mit der Linken hielt die Mutter den Kopf.
Das wollen wir gar nicht erst einreißen lassen.
Das war ein bis dahin unbekannter Ton unmissverständlicher Eindeutigkeit. Die Kleine schluckte, was ihr eingeflößt wurde. Der zweite und dritte Versuch, die Lippen aufeinander zu pressen, waren schon deutlich schwächer. Die Mutter strahlte:
Na also. Das muss doch nicht sein.
Ursula Rein hatte sich mit ihrem Kind im Wagen auf dem Spielplatz im Park zu den Frauen gesetzt, die dort mit ihren Kindern zusammen kamen. Mit einer der Frauen, Beate, die auch eine Tochter hatte, fast gleich alt, hatte sie sich angefreundet.
Wenn mich mein Mann nicht angerufen hätte, säße ich immer noch in der Badewanne mit meiner Laura, meinte Beate und lachte etwas verlegen.
In der Nacht bin ich ja auch kaum zum Schlafen gekommen. Mein Mann muss früh zur Arbeit und ich hole mir die Laura oft, schlafe noch mal ein Ründchen oder spiele mit ihr im Bett bis die Windel tropft, das macht mir oft Schuldgefühle. Mein Gott habe ich es gut. Aber, na ja die Nacht war ja auch kein Vergnügen.
Beate gibt sich ganz ihrem Vergnügen hin, das sie mit ihrem Kind hat. Aber weil Beate bei diesen Spielen ihrer Lust folgt, kann sie in ihrem Inneren unterscheiden, was sie für sich, was für das Kind tut. Man merkt es auch daran, dass sie von sich selbst sprechen kann. Sie kann ihr Befinden von dem des Kindes unterscheiden.
Mitten in der Nacht wollte die kleine Laura unterhalten werden, manchmal immerzu gefüttert werden, dann wieder lange Stunden nicht. Es war ihr eine Lust, die Mutter herbei zu holen, wann immer sie wollte. Sie musste nur laut schreien.
Manchmal aber war auch Schmerz, alles um sie herum war bedrohlich und die Angst schlug über sie zusammen. Dann gab es nur eine böse Mutter, die bedrohlich war wie alles. Wohin dann? Alles war schrecklich. Aber die Mutter ließ sich davon nicht beirren und in ihren weichen Armen, gegen die sie sich so wehrte, wich allmählich die Angst.
Beate hat das sichere Gefühl, dass sie nicht so böse ist, wie das Kind sie vielleicht im Augenblick sieht. Sie ist auch nicht hilflos.
Nach einiger Zeit flüchtete sich Laura in solchen Zuständen manchmal zum Vater mit dem kratzigen Gesicht und den starken Armen. Dann war Laura eine Königin und die Mutter musste um sie werben.
Irgendwann wird Beate nicht mehr so wohlwollend reagieren, wenn Laura zum Vater rennt, um bei dem über die Mutter zu triumphieren.
Barbara lernte laufen, sprechen und die Körperfunktionen zu kontrollieren, sie machte wenig Schwierigkeiten. Eine nervenaufreibende Trotzphase ersparte sie ihrer Mutter. Später wird Barbara allerdings einige Male namenlose Wut aufkommen spüren. Sie wird als Achtjährige eines Tages ihr Kaninchen in einen Sack stecken und so lange gegen die Wand schlagen, bis Blut durchsickert und das Kaninchen aufhört zu zappeln. Tief in der Mülltonne wird sie den blutigen Sack begraben und ihrer Familie erzählen, dass das Kaninchen beim Spielen weggelaufen sei.
Barbara war drei Jahre alt, als sie öfter einen Alptraum hatte. Ein Mann will ihre Mutter umbringen. Sie ist dabei und kann nichts tun. Das Kind wacht nachts schreiend auf, kann aber ihrer Mutter den Traum nicht erzählen. Es dauert Stunden, bis es sich beruhigt hat und wieder einschläft. Die Mutter ist beunruhigt, sie fragt sich, ob mit ihrem Kind etwas Ernsthaftes nicht stimmt. Das Kind sieht den sorgenvollen Blick der Mutter. Den versteht es so, dass die Mutter etwas an ihm missbilligt. Es denkt:
‚Die Mama mag mich nicht.‘
Einige Zeit später bemerkte Barbara, dass die Eltern in einem Bett schliefen, während sie allein schlafen musste. Die Eltern stritten oft, wie sie mit ihr oder anderen Menschen nicht stritten. Oft hörte Barbara lautes und böses Sprechen, das aus dem Schlafzimmer drang.
Die Natur hatte ihr eine Ahnung davon gegeben, was die Geschlechter miteinander machen. Das Problem war, dass dies von Distanz und Kälte begleitet zu sein schien: Wenn man in einem Bett schläft, sich anschreit und das Gesicht verzieht, ist es das, was zwischen Mama und Papa dann passiert?
Barbara war verwirrt. Die Mama war schön und mächtig. Der Papa war ein großer schöner Mann. Ein Mann ist etwas anderes, etwas Interessantes. Aber er war fast immer weg. Mit dem Leben der kleinen Barbara hatte er nichts zu tun. Er kleidete es nicht, fütterte es nicht, ging mit ihm nicht auf den Spielplatz, er hatte ein ganz anderes Leben. Die Mama kannte beide Leben. Aber sie sprach nicht vom Papa, sie bezog sich nicht auf ihn, also war er für das Leben der kleinen Barbara nicht wichtig. Und auch die Mama brauchte den Papa offensichtlich nicht, etwa zum Küssen und zum Streicheln und für all die Dinge, die schön sind. Das konnte Barbara an ihr erkennen.
Immer wieder freute sie sich auf ihren Papa und bekam doch keine Antwort. War sie ihm lästig? Voller Enttäuschung flüchtete Barbara sich immer wieder zur Mutter. Nein, sie war für den Papa nicht interessant.
In den Kindergarten wollte Barbara anfangs nicht gehen. Die Erzieherinnen empfahlen der Mutter, mit dem Kind noch ein Jahr zu warten. Aber Ursula Rein war inzwischen erneut schwanger geworden und innerlich schon sehr mit dem neuen Kind beschäftigt. Die Schwangerschaft war für sie diesmal eine Zeit großer innerlicher Ausgeglichenheit, und der Umgang mit Barbara war leichter.
Niemand bemerkte, dass es gerade das war, was dem Kind schließlich ermöglichte, sich auf die neue Umwelt des Kindergartens einzulassen.
Barbara freute sich mit ihrer Mutter auf das Schwesterchen. Aber als es dann da war, wurde es für sie doppelt schwierig. Die Mama war nicht mehr so gut gelaunt. Sie fing wieder an, sich Sorgen zu machen, und zwar um Barbara, war aber für sie nicht mehr so verfügbar wie früher. Es war ein unentwirrbares Knäuel von Gefühlen, die überdies alle tief im Herzen verschlossen werden mussten. Am meisten war Barbara um die Mutter besorgt, wenn sie merkte, dass die Mutter Angst hatte, und das geschah wieder häufiger.
Ursula Rein konsultierte ihren Arzt, weil Barbara einige Wochen nach Cornelias Geburt wieder angefangen hatte, ins Bett zu machen. Barbara schämte sich sehr dafür und versuchte oft, es zu vertuschen. Ihre Kuscheltiere seien es gewesen, sagte sie. Dann vermutete sie, dass es Cornelia gewesen war, die doch immer in die Windeln machte.
Der Kinderarzt wiegelte ab. Er kannte die oft unbegründete Besorgtheit der Mutter.
Alle Kinder machen Schwierigkeiten. Sprechen sie mit dem Kind, fragen sie es, was es bedrückt, war seine Empfehlung an Frau Rein.
Wenn du ins Bett machst, bist du traurig, warum? fragte sie. Aber Barbara hatte nicht gelernt, sich Gedanken über sich zu machen.
Du musst immer Essen machen, putzen, für Cornelia Windeln machen, sagte sie zum Beispiel und manchmal bist du traurig. Die Mutter war erstaunt und gerührt über diese Antworten. Sie hatte ein ungewöhnlich reifes Kind, das sich ernsthafte Gedanken über seine Umwelt machen konnte.
Die Mutter bemerkte nicht, dass Barbara über die Mutter nachdachte, und dabei ihr kleines Selbst ins Hintertreffen geriet. Für ihre Entwicklung hätte es Barbara gebraucht, sich als Mittelpunkt ihrer kleinen Welt sehen zu dürfen.
Nachdem sie sich einmal an den Kindergarten gewöhnt hatte, ging Barbara gerne dorthin. Mit den Kindern konnte sie ganz anders spielen als mit der Mama, mit ihnen konnte man auch zanken. Das war mindestens ebenso aufregend. Man konnte eine die beste Freundin nennen und dann konnte man sie weg schubsen und zu einer anderen gehen. Aber es machte auch Angst. Oft gab es bei solchen Gelegenheiten ganz plötzlich einen Knacks und Barbara musste weinen.
Was ist denn los? Erzähl mal, sagte die Erzieherin und nahm die Kleine in den Arm.
Die Franzi …, schluchzte Barbara.
Luise, die Erzieherin, sprach beruhigend auf Barbara ein, wollte aber gar nicht genau wissen, was die Franzi gemacht hatte und dass es den Knacks gegeben hatte.
Meine Mama hat gesagt, dass die Cornelia ganz schlimm krank ist und sie hat geweint, flüsterte Barbara, kaum zu verstehen.
Die Erzieherin guckte ernst: Ist das wieder eine von deinen Geschichten? Das Kind weinte und gab keine Antwort.
Stimmt das oder ist das erfunden?
Barbara wurde still. Plötzlich stockten die Tränen. Sie drehte sich um und flüsterte: Ich soll es nicht sagen. Doch die Erzieherin war nun besorgt. Ich werde deine Mutter fragen.
Nein, bitte nicht. Sie weint dann wieder, sagte Barbara.
Barbara guckte die Erzieherin mit traurigen Augen an.
Ursula Rein schlug die Hände über dem Kopf zusammen und weinte wirklich, als Luise Schmitt ihr die Geschichte erzählte. Dann wurde sie ernst und abweisend. Die Erzieherin war erschrocken. Stimmte es doch?
Zu Hause sprach die Mutter mit Barbara.
Du darfst solche Geschichten nicht erzählen. Cornelia ist nicht krank. Und ich habe auch nicht geweint, sagte die Mutter.
Doch, du hast geweint, sagte Barbara.
Barbara sah die Mutter an, weinte fast wieder. Vielleicht stimmt das doch mit der Cornelia. Es wäre jedenfalls eine gute Erklärung dafür. Und es wäre überhaupt eine gute Erklärung für alles, wenn die Cornelia krank wäre.
Und wenn die Cornelia doch krank ist, trumpfte sie auf. Und du weißt es nur noch nicht.
Die Mutter war erschrocken und unsicher. Sie nahm Barbara in den Arm.
Barbara beschloss, wieder zu weinen. Sie schluchzte und sank in sich zusammen.
Barbara hat Probleme mit der Schwester und denkt sie sich darum krank. Das ist ein ernstes Symptom, wenn es andauert, weil Barbara keine andere Form der Konfliktlösung für ihre Eifersucht wusste, als die Schwester sterben zu lassen. Eine konstruktive Form wäre, sich mit der Schwester zu streiten, die Eltern durch Charme für sich einzunehmen, als die Ältere mehr Verantwortung zu übernehmen usw. Diese anderen Formen sind sozial verträglicher. Die Lösung Barbaras ist destruktiv und nur auf Kosten ihrer Realitätswahrnehmung möglich. Später, in der Psychose, wird sie es wieder so machen.
Als die Kinder im Bett waren, erzählte Ursula Rein die Geschichten ihrem Mann. Er kannte ähnliche Geschichten Barbaras, dass er einen schweren Verkehrsunfall gehabt und ein Bein verloren habe, die Großmutter blind sei, die Schwester adoptiert usw.
Ist doch nicht so schlimm. Barbara denkt sich eben so was aus.
Du nimmst die Sache gar nicht ernst, war die Antwort seiner Frau.
Barbara war eng an die Mutter gebunden. Den Vorteil, dass sie dafür ganz über die Mutter verfügen konnte, hatte sie mit der Geburt Cornelias zunächst eingebüsst. Geschichten von Cornelias Krankheit und Tod waren so eine phantasierte Lösung dieses Dilemmas. Zugleich konnte Barbara damit ihren (unbewussten) Hass auf die Mutter von dieser weg auf Cornelia lenken. Sie hat mit diesen Geschichten auch indirekt auf sich selbst und ihre Krankheit aufmerksam gemacht, wenn man nur annimmt, dass sie auch mit Cornelia identifiziert war. Ein Positives aber hatten die Geschichten von der Krankheit Cornelias. Sie waren auch Ausdruck von Kreativität.
In der Schule hörten die Erfindungen Barbaras auf. Sie ging einigermaßen gern in die Schule und lernte auch gut. In der Anfangszeit nervte sie allerdings die Lehrerin mit der ständigen Bitte, auf die Toilette gehen zu dürfen. Die Mutter wurde deswegen öfter in die Schule zitiert, aber auch sie war machtlos. Wenn sie mit ihrem Mann darüber sprach, schwieg er meist.
Nun sag doch mal was dazu! Du nickst, als wärest du damit einverstanden. Wir müssen etwas dagegen tun, regte sie sich dann auf.
Untersuchungen beim Urologen, die peinlich und schmerzhaft für Barbara waren, brachten nichts.
Ein anderes Symptom, mit dem Barbara vieles zugleich ausdrücken konnte: Sie konnte die Lehrerin ärgern, darauf hinweisen, dass sie in gewisser Weise noch sehr klein war und dass sie ein Problem hatte.
Als nach zwei Jahren eine neue Lehrerin die Klasse übernahm, hörten die ständigen Toilettengänge, die Barbara schon zum Gespött der Mitschüler gemacht hatten, schlagartig auf.
Vielleicht, weil sie diese Lehrerin mochte.
Barbara war sehr ordentlich. Auf ihren kleinen Schreibtisch musste ständig die von ihr gewählte Ordnung herrschen, wenn es anders war, bekam sie Panikanfälle. Sie hatte einige Stofftiere, die immer den gleichen Platz in ihrem Bett bekamen. Manchmal schlug sie ihre Kuscheltiere:
Du bist böse, ganz böse. Du hast nicht ordentlich gegessen. Darum kriegst du Haue.
Aber davon wusste niemand etwas.
Aus dieser Zeit stammte auch die Freundschaft zu Lucie, die in die gleiche Schulklasse ging wie Barbara. Lucie war ein sanftes, von Natur aus fröhliches Mädchen, und Barbara war voller Bewunderung für ihre Freundin.
Als Barbara, fast 14-jährig, das erste Mal die Regelblutung hatte, klärte sie die Mutter auf. Es war bei einem Gang durch die Stadt.
Das wirst du jetzt jeden Monat haben. Das Blut entsteht, weil die Schleimhaut in der Gebärmutter abgestoßen wird, wenn die Frau nicht schwanger ist. Wenn du mal ein Kind hast, bleibt die Blutung aus. Daran erkennst du das dann. Barbara sagte nichts.
Du kannst ein Kind kriegen, wenn du mit einem Mann zusammen bist. Aber das solltest du nur machen, wenn du den Mann auch wirklich liebst. Die Liebe ist das Schönste in deinem Leben. Körperliche Liebe ist nur schön, wenn auch die seelische Liebe da ist. Wieder machte die Mutter eine Pause.
Bei den Männern ist das anders. Viele wollen die körperliche Liebe, ohne die Frau wirklich zu lieben. Pass gut auf! Sie tun so, als seiest du die einzige, und dann merkst du, dass du nur fürs Bett interessant bist.
Ja, Mama, ich weiß das doch schon, versuchte Barbara die Mutter ein wenig zu beruhigen.
Aber ich muss dich doch auch vor den Gefahren warnen. Sag mir später nicht, ich hätte dich nicht aufgeklärt. Das mit einem Mann ist nicht immer schön. Manchmal tut es einem weh und die Männer wollen es trotzdem. Und wenn du es nicht machst, dann gehen sie zu einer anderen. Mit deinem Vater hatte ich auch das Problem.
Aber Mama, das will ich nicht wissen.
Dein Vater hat noch ganz andere Dinge von mir verlangt, ereiferte sich die Mutter.
Er hat es auch mit dem Mund gewollt. Es war grauenhaft.
Barbara blieb stehen. Sie schnappte nach Luft, immer schneller wurde ihr Atem. Schweiß trat ihr auf die Stirn, sie zitterte am ganzen Leib. Voller Angst schaute sie die Mutter an.
Kind, was ist los? Barbaras Hände verkrampften sich und sie sank zu Boden. Menschen blieben stehen. Irgendwer benachrichtigte die Polizei. Das Martinshorn eines Krankenwagens war zu hören. Die Mutter kniete völlig außer sich neben der leblosen Barbara, die das Atmen ganz eingestellt hatte.
Im Krankenhaus kam Barbara schnell wieder zu sich.
”Hyperventilationstetanie”, nannte es der Arzt. Schicken Sie Ihre Tochter mal zum Psychiater, ergänzte er.
Man gab ihr ein Beruhigungsmittel, das sie schläfrig machte.
Am Abend erzählte sie ihrem Mann von dem Anfall, den Barbara bekommen hatte. Sie erwähnte auch das Aufklärungsgespräch. Ihren Bericht schloss sie mit der Bemerkung:
Ich konnte ihr ja nicht verheimlichen, wie schlecht es um unsere Beziehung steht. Sie hat sich so über dich entsetzt, dass sie diesen Anfall bekommen hat. Und dann ergänzte sie:
Ich muss dir leider sagen, dass ich volles Verständnis für sie habe.
Barbara zieht mit ihrem Anfall die Notbremse. Damit kann sie die Mutter zum Schweigen bringen. Man bekommt Wut auf die Mutter, die hier ganz offensichtlich ihre Tochter missbraucht. Wir können aber auch versuchen, die Mutter zu verstehen. Die hat nämlich große Angst, Barbara zu verlieren. Ihre eigenen sexuellen Schwierigkeiten, die ihr ihren Mann fremd machen, unterstellt sie auch Barbara. Unterschwellig will sie ihr sagen: Wir mögen das nicht, wir brauchen eigentlich keinen Mann, wir haben uns.