Angst

Angst als Gefühl kennen wahrscheinlich schon alle Säugetiere. Sie tritt unter zwei Bedingungen auf: Erstens, wenn das Jungtier von dem Muttertier getrennt wird oder wenn ein Herdentier den Kontakt zur Herde verliert und zweitens, wenn Gefahr droht. Für den Menschen gilt wahrscheinlich das gleiche. Aber anders als die Tiere können wir den Kontakt zu anderen Menschen verinnerlichen: Das Kind hat anfangs Angst, wenn es keinen unmittelbaren Kontakt zur Mutter oder einer gleichwertigen Person hat. Aber bald lernt es, die Mutter zu erinnern, und es kann zunehmend länger auch ohne die Mutter auskommen. Es hat ein inneres lebendiges Bild von der Mutter und fühlt sich darum nicht mehr allein. Wenn der erwachsene Mensch, eine Sicherheit hat, nie wirklich alleine zu sein, basiert das auf der Verinnerlichung der fürsorglichen Mutter.

Aber diese Verinnerlichung gelingt manchmal nur unvollkommen, etwa wegen traumatischer Erfahrungen in der Kindheit. Dann kann man sich verlassen fühlen, obwohl doch Menschen um einen herum da sind. Es entsteht Angst. In der Depression z. B. ist das der Fall, weil die Fähigkeit, Kontakt zu anderen Mensch aufzunehmen, gestört ist. Der Depressive versucht ständig Kontakt herzustellen, kann es aber nicht, fühlt sich nie verstanden – so dass schließlich die Menschen um ihn herum verzweifeln. Angst ist darum ein Grundgefühl der Depression. Aber auch in psychotischen Zuständen kann sehr intensive Angst auftreten, wenn nämlich der innere Kontakt zu anderen Menschen verloren geht. Panikattacken bei anderen Zuständen haben wahrscheinlich ähnliche Gründe. Vielfach ist es auch so, dass ein Mensch das innere Bild eines anderen, z. B. aus unterdrückter Wut, zerstört und nun Panik bekommt, weil er sich allein wähnt.

Anders ist es mit der Angst vor Gefahren. Man kann sie Signalangst nennen. Ohne sie würden wir gefährlicher leben. Aber die Signalangst kann auch auftreten, wenn wir eine Gefahr wider besseres Wissen nur phantasieren. Bei Phobien ist das z. B. der Fall.